Carcassonne

Carcassonne
Carcassonne

Der Regen in der Nacht hat früh genug aufgehört, um am Morgen ein einigermaßen trockenes Zelt zu haben.

Der Track von heute geht nur bis zu der gestern erwähnten Challange. Man weiß ja nie, ob man danach überhaupt noch einen braucht. Aber dazu später. 

Schon von Start weg in Foix entscheide ich mich gegen Komoot und bleibe auf der Hauptstraße. Die 4 Zacken, die heute im Weg stehen, sehen vom Charakter her komplett anders aus als die bisherigen. Lange, aber relativ flache Anstiege. Entspanntes Hochradeln also. Erst in Lavelanet komme ich wieder mit der Komoot - Spur zusammen. Immer weiter auf der Hauptstraße. Der Himmel ist immer noch grau, die Temperatur angenehm. Die Steigungen rollen fast von alleine hoch.

Und dann kommt der Abzweig, der mich von meinem ursprünglich geplanten Zwischenziel Perpignan wegführt. 13 km und ein Berg stehen als vermutlich letzter Pyrenäenhügel vor mir. Auch der rollt einfach schön hoch. Und dann kommt die Abfahrt nach Festes -et-St. Andres.

Lt. Fritz K. aus N. kennt hier jeder seine Schwester Judith, die verrückte Deutsche, die hier seit 40 Jahren im Wald wohnt. Was das auch immer heißt. Ich habe viele Villen und Schlösser im Wald stehen sehen. Aber wie jemanden fragen, wenn alle französischen Dörfer wie ausgestorben wirken? Ich rolle langsam durch. Einen Laden gibt es nicht. Es sind vielleicht 10 - 15 Häuser. Am letzten bleibe ich stehen. Da bewegt sich tatsächlich etwas weiter oben im Garten. Eine Frau. Ich rufe. Sie kommt um die Ecke. Ich sage, ich suche eine deutsche Frau mit Namen Judith. Sie antwortet gleich auf Deutsch. Ja, die kennt hier jeder, ein paar hundert Meter runter, rechts rein und steil den Berg hoch. Weit hoch. Ich werde vielleicht schieben müssen.

Ich befolge ihre Anweisung, finde die Abzweigung, es ist steiler als alles was ich bisher hatte. Betonplatten, dazwischen ein Stück Schotter, dann wieder Beton. Es kommen zwei Häuser. Ich suche, wie es weitergeht, von hinten spricht mich einer an. Ob ich seine Hunde gesehen hätte? Ja, unten auf der Straße. Ob er Judith kennt? Aber sicher. Er ist Engländer und steht mittags um Eins im Bademantel vor mir, lange Haare, Kippe. Es scheint hier lauter Ausländer zu geben. Jetzt ist es nur noch Schotter, aber nicht mehr ganz so steil.

Und dann bin am Ende des Weges. Vor mir zwei schrottreife Autos, ein alter Wohnwagen und viele kleine Hütten mit viel Gerümpel dazwischen. Rechts oben im Wald steht aber auch noch ein zerfallenes Steinhaus. Und von überall her Hundegebell, aber keine Menschenseele. Ich erkunde erst das Steinhaus, der Hund hinterm Zaun bellt zwar, aber lässt sich streicheln. Ich versuche es von der anderen Seite, dann taucht tatsächlich eine Frau auf. Ja, Judith gehört der hintere Teil, mit den vielen Hütten ich soll einfach rufen. Also stelle ich mich mitten zwischen die bellenden Hunde, die alle angebunden sind und rufe. Und zwar solange, bis sich aus dem Wald eine Stimme meldet. Und dann hüpft sie auch schon daher.

Natürlich ist sie etwas verwundert über den Besuch, ich kläre sie auf und grüße sie von ihrem Bruder. Und sie erzählt locker drauf los. Die halbe Lebensgeschichte. Sie lebt tatsächlich seit 40 Jahren hier oben, hat aktuell 8 Pferde, einen Esel, diverse Ziegen, Hühner und 4 Hunde. Zusammen mit den Nachbarn eine Solaranlage, aber ansonsten eher nichts. Aber sie scheint zufrieden zu sein. Baut aus den rumliegenden Brettern ein Haus ums andere, um andere dann wieder 

einzureissen, weil sie schief sind.

Nach eineinhalb Stunden lockerem Gespräch breche ich wieder auf. So ist das also, wenn man im Wald lebt. Nix mit Schloss und Pagen. 


Jetzt muss ich mich wieder auf den Weg konzentrieren. Ich fahre bis Limoux, wo ich eine Pause brauche. Die Landschaft hat sich völlig verändert. Ich scheine die Pyrenäen verlassen zu haben. In Limoux entscheide ich mich, bis nach Carcassonne weiter zu fahren. Jetzt bestimmt zusehends der Weinbau die Landschaft. Und jetzt ist alles blau, keine Wolke mehr am Himmel. 

Ab jetzt gilt hoffentlich das Wetter vom Mittelmeer. 

Ziemlich spät bin ich dann in Carcassonne, wo ich zunächst auf einen gefakten Campingplatz reinfallen, um dann endlich den richtigen zu finden. 

111 km, 1230 hm, endlich wieder warm. 




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