Über alle Berge 2007 - 2011

 Auszug aus dem Reisetagebuch 

 


Ein Vorwort


Strecke 2007
Strecke 2007

Dieses Buch ist ein kleiner nostalgischer Rückblick auf eine Zeit, in der Montainbikes noch per eigener Muskelkraft über die Berge gefahren, manchmal auch geschoben oder getragen wurden. Inzwischen ist das kaum mehr vorstellbar. Es soll angeblich zwar immer noch ein paar geben, die diesen eigenartigen Sport ausüben, aber die große Masse, die sich heute mit diesen aufgemotzten und teuren E-Bikes in den Bergen bewegen, hat damit herzlich wenig zu tun. An tragen oder schieben ist bei diesen Boliden schon aus Gewichtsgründen nicht zu denken. Wenn die Batterie oder der Antrieb versagen sollten, muss vermutlich die Bergwacht her. In der Nähe der Urlaubsdestinationen in den Alpen herrscht inzwischen ein Verkehr wie auf dem Stachus in München. Eine Berghütte ohne Ladestation? Nicht mehr denkbar.

Die Protagonisten dieses Buches sind immer noch ohne E - Antrieb unterwegs, allerdings eher weniger auf dem Mountainbike als auf dem Rennrad oder Tourenbike.

Der Autor dieses Büchleins bewegt sein MTB meist nur noch in heimischen Gefilden. Der Gedanke an den Rummel in den geliebten Bergen erfüllt ihn mit Grausen. Trotzdem blickt er gerne zurück auf die gemeinsamen MTB - Touren über die Alpen, die aus heutiger Sicht fast nicht mehr vorstellbar sind.

Als Ergänzung zu meinen Reisetagebüchern in der Folgezeit mit dem Tourenrad sei dieser nostalgische Rückblick an die erste Stelle der Berichtsserie ‚Freiheit auf 2 Rädern‘ gestellt.

  

 


Einleitung


Nachdem laut Volli und Jürgen alle interessanten Nord – Süd bzw. Süd – Nord – Routen in den Alpen abgefahren sind und auf den interessantesten Strecken inzwischen im Sommer Hochbetrieb herrscht, sind wir im letzten Jahr zu dem Beschluss gekommen, die Alpen jetzt der Länge nach zu radeln, also immer gefühlsmäßig am Hauptkamm entlang. Weil das aber auf einmal nicht zu schaffen ist, wurde das Ganze als mehrjähriges Projekt angelegt.

 

Ausgangspunkt der 1. Teilstrecke sollte Wien sein, bzw. die ersten Alpenberge danach. Das Ziel im Jahr 2011, so ungefähr, sollte Nizza sein. Also hat Volli mal wieder die dankbare Aufgabe übernommen, eine Strecke auszutüfteln, auf der, wie immer, alles fahrbar sein sollte, und die gleichzeitig unseren hohen Ansprüchen genügen musste. Nachdem dann alles feststand, hat Jürgen wieder die logistische Aufgabe der Beschaffung der Bahnfahrkarten übernommen. Wie immer musste alles in den engen Terminplan passen, der Volli’s Einsatz beim Ironman Frankfurt, sein Familienwochenende mit Frau und Max (diesmal in Inzell) sowie Jürgens diverse Ultras berücksichtigt. Bei mir es ja egal, das muss halt passen. Die Eckdaten der Tour waren also festgelegt: Ironman Frankfurt 2. Juli, Abfahrt nach Wien Freitagabend, den 6. Juli 2007, Start in Ternitz bei Wien am 7.7., Ende der Tour und Beginn Volli’s Familienwochenende in Inzell am 12.7., Berglauf Ruhpolding Jürgen am 14.7. Nichts ist einfacher, als ein paar popelige Termine von ein paar Bewegungsjunkies unter einen Hut zu bekommen.

 

Ach ja, der Wetterbericht noch: Für das Wochenende waren angenehme Temperaturen vorhergesagt, am Montag aber sollte der Wetterumschwung kommen. Das verhieß nichts Gutes.

 


6. -7. Juli 2007 - Anreise Wien und erste Etappe Puchberg - Frein


Ich treffe Volli beim Zustieg in Ulm im IC in Richtung München kurz vor 21 Uhr. Um halb zwölf geht ab München der Nachtzug in Richtung Budapest, in dem Jürgen für uns beide Plätze im Schlafwagen organisiert hat. Jürgen ist bereits zwei Tage vorher nach Wien gefahren, wo wir ihn am Samstagmorgen treffen sollen. Wir sind zunächst zu dritt im Viererabteil, in Salzburg kommt noch einer dazu. Das Schlafen im Zug ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie geht die Nacht auch rum.

 

Der Schaffner weckt uns um halb sechs, es sind noch 20 Minuten bis nach Wien. Wir packen zusammen, nehmen unser Frühstück, das eingepackte Croissant, vom Schaffner entgegen und verlassen kurz darauf in Wien – West den Zug. Lt. Plan müssen wir jetzt mit dem Rad ein Stück durch die Stadt zu einem anderen Bahnhof, von dort nach Wiener Neustadt und dort noch einmal umsteigen nach Ternitz. Dort beginnen die ersten Hügel der Wiener Hausberge und dort sollen wir Jürgen treffen. Das ist der Plan.

 

Nun die Realität. Wir ziehen uns direkt am Bahnhofsvorplatz um, machen noch kleine Scherze, schießen das erste Foto – und dann - denke ich nach: Wie war das eben noch mit meinem Geldbeutel und dem Handy? In Gedanken gehe ich die letzten Minuten vor der Ankunft in Wien durch. ‘Ich ziehe mich im Schlafwagen an, lege Geldbeutel und Handy brav neben mich auf der oberen Pritsche, der Schaffner gibt mir das Croissant hoch, ich steige die Leiter runter, gehe den Gang vor, für’s Klo ist auch noch Zeit. Wir warten. Wien kommt und wir steigen aus. So weit so schlecht.

In dieser Aufzählung fehlen: Handy und Geldbeutel einpacken. Scheiße. Hektik kommt auf. Ich renne in Richtung Bahnsteig. Der Zug ist natürlich längst weg. Mit meinem Geldbeutel und dem Handy in Richtung Budapest. Mein Handy kann kein ungarisch. Was will es da? Schnell zum Info – Schalter. Dort hat sich eine lange Schlange gebildet. Also weiter zum Fahrkartenschalter. Als ich dran bin, fragt mich die Dame nach der Wagennummer. Die weiß ich natürlich nicht. Also wieder zurück zu Volli, nachschauen auf dem Ticket. Wagen 262, Abteil 5.Jetzt wieder zurück an einen anderen Fahrkartenschalter. Der Mensch dort schickt mich zum Fahrdienstleiter an Gleis 1. Der funkt den Zug an und bekommt die Antwort, dass der Geldbeutel und das Handy bereits gefunden wären. Der Geldbeutel aber ohne Inhalt. Das deutsche Personal kommt mit dem Gegenzug um 9 Uhr zurück und bringt die Sachen mit.

Wir beratschlagen. Jürgen anrufen und alles verschieben? Wir entscheiden: Volli fährt alleine und ich komme nach. Wir treffen uns dann später ein paar Haltestellen weiter in Puchberg am Schneeberg (Schöner Name). Damit die anderen beiden schon losradeln können. Man will ja kein Spielverderber sein und außerdem habe ich natürlich ein total schlechtes Gewissen. Also gut, so wird’s gemacht.

 

Ich lungere bis um neun Uhr am Bahnhof rum, der Zug kommt mit einer Viertelstunde Verspätung. Aber mit meinem Geldbeutel und meinem Handy. Zwar ohne Geld, aber mit allen Karten. Der Urlaub ist gerettet. Die 70 Euro im Geldbeutel sind zu verschmerzen. Wenn man schon so blöd ist.

Der Verlust der diversen Karten wäre schlimmer gewesen. Ich radle also los, suche den zweiten Bahnhof, kein Mensch kennt sich aus, es sind scheinbar nur Touristen und sonstige Fremde unterwegs. Aber schließlich finde ich ihn doch noch, auch den richtigen Zug, Dann muss ich auch noch einen Zuschlag für’s Rad zahlen und ärgere mich, als der Schaffner nuschelt „Ne halbe Stunde Fahrzeit“. Nach einer halben Stunde kommt Wiener Neustadt, aber ich denke im Traum nicht daran, dass ich hier umsteigen muss – bis mich der Schaffner erblickt und mich anmotzt, was ich hier noch im Zug mache. Wieder kommt Hektik auf, wieder ist rennen angesagt. Diesmal zum Gepäckwagen. Rad ausladen, Zug weg.

 Das war knapp. Ab jetzt wird’s ruhig. Der Zug nach Puchberg hält alle paar Minuten. Endlich bin ich da. Meine beiden Kumpels warten bereits sehnsüchtig am Bahnhof. Die haben bereits 20 km und 600 hm hinter sich, sind also gerade warm geradelt.

 

Für mich beginnt hier die Alpenlängsung Wien – Nizza Teil 1. Das Wetter ist angenehm warm, unangenehm ist der sehr böige Wind, der mal von vorne, mal von hinten und das andere Mal von der Seite kommt. Die Tour beginnt also für mich auf einem etwas ruppigen Forstweg, den das österreichische Radschild in den Landesfarben ziert und speziell uns M o u n t a i n b i k e r meint. Damit ist gemeint, dass es hier ein Durchfahrverbot gibt, das auch angeblich für uns Mountainbiker gilt. Dieses treffen wir in den nächsten Tagen auf den meisten unserer Auffahrten an. Deshalb also die viele Werbung für Österreich als ‚Das Bikeland‘. Ein Anwohner weist uns auch gleich noch mit unfreundlichen Worten auf dieses Schild hin, was wir aber natürlich nicht verstehen.

Über die Sparbacher Hütte (1300 m) geht es runter ins nächste Tal nach Hinternaßwald (700 m), wo wir nach einigen Kilometern auf der Straße den nächsten Übergang über den Kreuzsattel (1300 m) angehen. Ein langer Downhill bringt uns anschließend zu unserem ersten Etappenziel in Frein. Dort gibt es nur ein einziges Hotel, das fast ausgebucht ist. Aber wir haben Glück: Im dazugehörigen ehemaligen alten Schulhaus gibt es noch ein Dreibettzimmer für uns. Das Abendessen ist hervorragend (Bauern – Cordon bleu).

Die Statistik für den ersten Tag ergibt: 75 km (55 km), 2200 hm (1600 hm).

 

 


Sonntag, 8. Juli - Vordernberg


Es ist sonnig und zunächst relativ windstill, als wir nach dem Frühstück den nächsten Forstweg angehen, den ebenfalls das österreichische Radwegsymbol ziert. Über die Dürriegelalm (1400 m) erreichen wir die Niederalpe (800 m), von wo es gleich wieder rauf zum Nikolokreuz (1400 m) geht. Es ist wieder sehr windig. Trotzdem aber immer noch sehr warm, obwohl die Wolken deutlich zunehmen. Über Turnau (800 m) erreichen wir Ebenbühel (1100 m) und nach anschließender Abfahrt Tragöß (700 m). Der letzte Berg für heute ist der Hohe Schilling (1300 m).

 

Inzwischen ist es schon ziemlich düster und die Abfahrt nach Trofaiach soll für heute das Finale sein. Trofaiach ist relativ groß und für österreichische Verhältnisse relativ hässlich. Als wir suchend durch die Hauptstraße fahren, fallen die ersten Tropfen. Und alles was nach Hotel aussieht, ist zu. Mehrere Nachfragen führen uns auch nicht weiter, zwei Jungs wollen uns zu einem Hotel außerhalb der Stadt führen. Und dann kommt plötzlich alles auf einmal runter. Wir bringen uns an einer Tankstelle in Sicherheit und stellen uns in der Selbstwaschanlage unter. Blitz, Donner und Wasser ohne Ende halten uns für über eine Stunde fest. Als der Regen weniger wird, entschließen wir uns, nach Vordernberg weiter zu radeln. Das liegt auf unserer Strecke und soll angeblich mehrere Hotels haben. Um acht Uhr sind wir völlig durchnässt dort und finden tatsächlich ein schönes Zimmer im Schwarzen Adler. Allerdings ist es für’s Abendessen schon fast zu spät. Aber immerhin bekommen wir noch ein gemeinschaftliches Gulasch und eine Fritattensuppe.

Statistik: 107 km, 2700 hm

 


Montag, 9. Juli - Mödlinger Hütte


Es regnet zum Frühstück. Aber um 10 Uhr hört es auf. Also fahren wir auf der Passstraße über den Eisenerzer Erzberg nach Eisenerz. Der Erzberg ist eine riesige Erzabbaustelle. Auf der Passhöhe biegen wir in diesen ein und nehmen uns vor, auf den Trassen der LKW abzufahren. Dummerweise ist heute Montag, es wird gearbeitet und der Typ am Eingang lehnt unser Ansinnen ab. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als auf der Passstraße abzufahren. In Eisenerz beginnt es wieder zu regnen. Also rein ins Café und abwarten. Tatsächlich können wir nach einer halben Stunde die Fahrt wieder fortsetzen. Wir erklimmen zunächst ein lang gestrecktes Tal, kommen am Nordischen Zentrum Ramsau vorbei (gibt es bei Schladming auch) und nehmen den Forstweg über den Radmerhals (1300 m) nach Radmer (700 m). Dort erwartet uns sofort der nächste Übergang über den Neubergsattel (1400 m) nach Johnsbach (800 m).

 

Auf einer der heutigen Auffahrten über die Forstwege mit dem österreichischen Radschild stoppt uns tatsächlich ein Typ im Geländewagen und will uns wieder zurückschicken. Volli macht das sehr gut und erklärt ihm, dass wir das Risiko, von einem LKW überrollt zu werden, sehr gut kennen und uns dessen bewusst sind. Im Übrigen wären wir auf der Durchreise und kämen eh nicht wieder hier vorbei. Der Typ beruhigt sich tatsächlich wieder und lässt uns durch. Jetzt kommt der letzte Berg des Tages. Wieder geht es eine schöne Forststraße hoch. Die Wolken sind unser ständiger Begleiter, aber es scheint trocken zu bleiben. Die letzten 200 hm bis zur Hütte sind laut Karte ein Wanderweg, also ist vermutlich schieben angesagt.

Tatsächlich macht der Forstweg bei 1300 m wieder eine Biege nach unten und wir biegen in den vermeintlichen Wanderweg ein. Dieser entpuppt sich als eine verschlammte LKW – Trasse, die durch die Waldarbeiter und den Regen in einen üblen Zustand versetzt wurde. Und da müssen wir jetzt durch. Schiebend. Wie wenn das nicht jetzt schon reichen würde, fängt es in Sichtweite der Hütte auch noch zu regnen an. Zunächst nur leicht nieselnd. Wir stapfen also die letzten Meter durch den Schlamm hoch, beratschlagen kurz im Angesicht der Hütte und beschließen, den stärker werdenden Regen in der Hütte abzuwarten und dabei unser Abendessen einzunehmen. Nach fünf Minuten steht aber fest, dass bei dieser Wetterlage an ein Abfahren nicht mehr zu denken ist. Also buchen wir direkt ein Zimmer und richten uns häuslich ein. Es wird ein geruhsamer Abend, wir sind die einzigen Gäste. Das Essen ist hervorragend, das Weizen auch.

 

Die Tagesstatistik: 67 km, 2600 hm

 

 


Und jetzt? Wie geht's weiter?


 

 

 

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Noch eine kleine Bildersammlung