Auszug aus dem Reisetagebuch
Auszug aus dem Reisetagebuch
Nach meinen Touren in Nord – und Südwesteuropa jetzt also der Osten. Die Idee war eine Tour entlang der Ostsee bis nach Tallinn, danach wieder südwärts in Richtung Slowakei und Österreich. Mit offenem Ende. Start sollte in Eutin sein, nach dem alljährlich dort stattfindenden Bluesfest. Als feste Stationen waren eingeplant: Danzig, Riga, Vilnius, Warschau, Krakau, Bratislava und Wien.
Tallinn wollte ich ein bisschen vom Verlauf der Tour abhängig machen. Königsberg (Kaliningrad) war keine Option, da musste ich wohl drum rumfahren.
Der erste Startversuch für meine Polen – Baltikum – Tour war auf den 23. Mai termininert. Trotz des grausigen Wetters im April und Mai versuchte ich davor meine Gedanken auf die bevorstehende Tour zu konzentrieren.
Das Fahrrad war einigermaßen gerichtet, Bremsbeläge, Kette, Kassette waren neu, aber die Schaltung hakelte noch ein bisschen. Dazu kam noch ein neues Zelt (1 kg gespart), eine neue Isomatte (+ 200 gr.), sowie eine neue Packtasche für das ganze Gerödel. Damit war die Gewichtsersparnis vom Zelt wieder dahin.
Der Kühlschrank war leer, das Zugticket zum Startort Eutin gekauft. Es konnte losgehen.
Und dann kam mir der Befund meines Hautarztes dazwischen, der meinte, die Flecken in meinem Gesicht sollten nicht unbehandelt bleiben. Er könne mir einen OP – Termin am 23.5. anbieten.
Nach einer kurzen Nachdenkzeit ließ ich mich überreden, meinen Plan zu ändern. Das Bluesfest musste sein, aber statt danach in Eutin zu starten, fuhr ich nochmal nach Biberach zurück, um mir die Flecken im Gesicht entfernen zu lassen. Dazu brauchte es dann nochmal zwei Wochen, bis die Fäden entfernt waren und somit einem Neustart nichts mehr im Wege stand.
So fand ich mich also am Montag, den 5. Juni wieder am Bahnhof in Biberach ein, diesmal mit Fahrrad und vollem Gepäck. Neuer Startort war Wismar an der Ostsee, damit konnte ich gegenüber dem ursprünglichen Startort schon mal 100 km einsparen.
Den Tag verbrachte ich in den Zügen der DB, was auch nicht unbedingt Vergnügungssteuerpflichtig ist. Obwohl alle Verbindungen funktionierten, gab ich vor dem letzten Umstieg in Wittenberge auf und verbrachte dort die Nacht auf einem mir schon von der Deutschland – Tour bekannten Zeltplatz am Hafen in Wittenberge. Der Hafenmeister, der kurz nach meinem Zeltaufbau auftauchte und mir 5 Euro abnahm, war mir ebenfalls schon bekannt.
Nach einer ernüchternden Stadterkundung, bei der ich nur mit Müh und Not etwas zu Essen und Trinken fand, verbrachte ich die erste Nacht dieser Reise in meinem Zelt direkt am Elbufer. Ich war mal wieder der Einzige. Eigentlich wollte ich auch noch HSV geben VFB schauen, aber das war leider mangels passender Location nicht möglich
Die Nacht war kalt, aber es ist klar heute Morgen. Es wird ein schöner Tag. Der Zeltabbau funktioniert noch. Entgegen der ursprünglichen Planung habe ich jetzt aber Zelt, Schlafsack und Isomatte in meinen Ortlieb - Packtaschen verpackt. Der zusätzlich angeschaffte wasserdichte Packsack nimmt nur noch ein paar Kleinteile und meine Schuhe auf. Ich habe insgesamt 2 Paar dabei, Joggingschuhe und Sandalen. Ich entscheide je nach Wetterlage, welche ich zum Radeln anziehe. Diese Einteilung bedeutet, dass ich meine Packtaschen den ganzen Tag nicht mehr öffnen muss.
Das Frühstück gibt’s an einem Kiosk am Bahnhof. Nach Wismar sind es jetzt noch ca. 90 km, die ich in der Bahn zurücklegen muss. Das hätte ich gestern auch noch gepackt, aber dann wäre es mit der Platzsuche und der Essensaufnahme vermutlich etwas eng geworden.
So fahre ich also heute Morgen entspannt nach Wismar und bin um halb elf Uhr da.
Nach einer kleinen Stadtrundfahrt und einem Heringsbrötchen direkt vom Schiff bei Backfisch – Maik bin ich dann um ca. halb zwölf bereit, das neue Abenteuer zu starten. Strahlend blauer Himmel und ein gleichmäßiger Gegenwind sind die Zutaten dafür.
Die Orientierung ist relativ einfach, meistens ist ein Radweg da. Der ist aber auch oft entweder geplättelt oder in einem schlechten Zustand.
Von der Ostseeküste sehe ich nur am Anfang ein bisschen. Nach dem Abzweig zur Insel Poel geht es weg von der Küste. Über Bad Doberan, wo ein imposantes Münster mit Kloster steht, erreiche ich um halb vier Rostock. Jetzt muss ich wieder überlegen, wo ich die Nacht zu verbringen gedenke. Eigentlich wollte ich es am ersten Tag ruhig angehen lassen. Aber das Wetter ist zu schön und es ist zu früh am Tag, um aufzuhören. Ein Campingplatz in Neuhaus bei Dierhagen soll das Ziel sein. 30 km sind es bis dahin. Ab Graal-Müritz bin ich direkt an der Ostsee und auf den letzten Kilometern auf einem sandigen und schotterigen Weg direkt an den Dünen unterwegs. Der Campingplatz ist gut gefüllt, aber die Zeltwiese ist einigermaßen leer.
Leider gibt es auf dem Platz wieder keinerlei Infrastruktur, weder Laden noch Restaurant etc. Dafür ist es mit 22,50 € richtig teuer, inklusive Kurtaxe für 2 Tage, obwohl ich nur eine Nacht da bin. Die Dame an der Rezeption meint, da wäre das Verkehrsamt draufgekommen.
Das Zielbier nehme ich daher auf einer Hotelterrasse in der Nähe. Das Hefeweizen von Störtebecker wird dort in einem 0,4-er Glas serviert. Lauter Verbrecher. Dafür ist der Blick auf die Ostsee schön. Alles hat eben seinen Preis.
Das waren dann zum Auftakt gemütliche 95 km, bei ebenso gemütlichen 550 hm.
Das Beste gleich am Anfang: Das Wetter. Es bleibt heute wie gestern durchgehend schön. Am Ende sogar noch einen Tick wärmer und der Wind aus wechselnden Richtungen, also auch mal von hinten.
Die Strecke ist heute eher langweilig. Nachdem ich am Anfang die Bucht von Priebitz - Dammgarten umfahren habe, muss ich an die B105 bis nach Stralsund. Ab hier folgen 42 bolzgerade km. Am Anfang noch mit einem guten Radweg, aber dieser ist dann plötzlich verschwunden. Dafür ist die Straße dann etwas später wegen Bauarbeiten gesperrt und ich bin allein drauf. Auf einem durchgängig aufgerauten Belag. Die anderen müssen eine Umleitung fahren.
Auf ca. 5 km geht das so und ich bin ziemlich durchgeschüttelt. Bis auf zwei einsame Arbeiter arbeitet niemand auf der ganzen Baustelle. Crazy. Seit dem Bau der Pyramiden in Ägypten (Asterix und Kleopatra) hat sich nichts geändert. Danach sind die anderen dann auch wieder da. Auch einen Radweg gibt es wieder auf den letzten km Richtung Stralsund. Hier ist eine längere Pause fällig.
Danach geht's rüber auf die Insel Rügen. Eine offensichtlich neue Brücke geht parallel zur alten Brücke rüber. Auch danach laufen beide Straßen immer nebeneinanderher. So ein Blödsinn. Zunächst auch der Radweg, der aber irgendwann einen weiteren Bogen nimmt. Es ist völlig einsam, alles flach. Keine landschaftlichen Highlights. So geht das bis Bergen, der Inselhauptstadt.
Hier nehme ich ein Weizen für 6 Euro und mache mich danach auf zu meinem inzwischen ausgewählten Tagesziel, den Campingplatz Prora an der Nordostseite der Insel. 12 km sind es noch bis dahin. Ganz einfach zu finden, ein Stück der Bundesstraße entlang, dann links ab und schon bin ich da. Von wegen. Da, wo ich links ab müsste, ist die Straße gesperrt. Zwei km später merke ich, dass das mein Abzweig gewesen wäre. Es folgt eine üble Kopfsteinpflaster - Passage durch den Wald. Und danach kommt auch tatsächlich die Baustelle. Dumm, dass genau hier auch der Abzweig zum Campingplatz gewesen wäre, was ich wiederum nicht bemerke. Also komme ich mal wieder aus einer völlig anderen Richtung auf dem Campingplatz an als geplant.
Am Ende habe ich dann eher 20 als 12 km von Bergen aus gebraucht, was aber bei insgesamt 108 km nicht so arg ins Gewicht fällt. Auf dem Campingplatz erklärt man mir, dass ich für Strom zahlen müsste, wenn ich z. B. mein Handy aufladen wolle. Ich muss lachen, der Typ an der Rezeption ist etwas angesäuert. Das hatte ich noch nie. Die Steckdosen in den Sanitärräumen sind abgeschaltet. Unfallgefahr. Ich vermute mal, die elektrischen Leitungen stammen noch aus der Zeit, als die Nazis Prora aufgebaut haben. Auch die Duschen sind im Preis von 18,80 € nicht ‚includet‘. Ich muss also für eine Duschmarke noch extra löhnen.
Wenn ich es mal ein bisschen sarkastisch formulieren darf: Jahrzehntelang haben wir sie mit unserem Soli unterstützt und zum Dank nehmen sie uns jetzt aus.
Sollte ich jetzt dein Interesse geweckt haben, kannst du diesen Reisebereicht gerne käuflich erwerben und mich damit für zukünftige Aufgaben ein bisschen unterstützen.
Ganz einfach hier in meinem Shop auf dieser Webseite. Wenn du auf das Titelbild klickst, kommt du direkt dahin. Und natürlich auch auf meine weiteren Reiseberichte.
Diese gibt's dann jeweils als Taschenbuch, als Ebook im EPUP - Format oder als PDF - Datei. Die kann man ebenfalls wunderbar auf einem Ebook - Reader bzw. in der Tolino - App lesen.