Auszug aus dem Reisetagebuch
Auszug aus dem Reisetagebuch
Ziel: Nordkap
Die erste Frage könnte sein: Warum? Wie kommt man darauf, so etwas zu wollen? Eine einfach Antwort wäre vielleicht: Weil man’s kann, oder: Weil man Lust hat, oder: Weil man Zeit hat. Oder alles zusammen.
Wenn man Radfahren mehr oder weniger als Hobby betreibt, beschäftigt man sich natürlich immer mit potenziellen Zielen für die nächste Tour, das nächste Event, den nächsten Urlaub.
Als Rennradler plant man den nächsten Urlaub im Süden, die Ausfahrt am Wochenende in den Alpen, den nächsten Bike - Marathon. Als Mountainbiker natürlich ebenfalls. Die Tagestour im Allgäu, die jährliche Alpentour mit den Kumpels.
Alle Planungen haben eines gemeinsam: Die verfügbaren Zeit - Ressourcen sind begrenzt. Das ist eben so, wenn man im Berufsleben steht und seinen Lebensunterhalt verdienen muss.
Natürlich macht man sich auch schon zu dieser Zeit seine Gedanken für die Zeit danach, wenn man plötzlich Zeit im Überfluss zu haben scheint.
Man hört und liest von Weltumrundungen, man hat Freunde, die über die Seidenstraße nach China radeln, kennt Leute, die von Sizilien oder dem Nordkap schwärmen. All dieses ergibt eine vage Vorstellung von dem, was man selber einmal tun will.
Und dann kommt dieser Tag, an dem die Ressource Zeit plötzlich in ungeahnter Menge zur Verfügung steht und die Pläne reifen. Klar, jetzt wäre Zeit für eine Weltumrundung. Muss ja nicht gleich alles auf einmal sein, das könnte man auch in Etappen machen. Oder zunächst mal eine definierte Tour von A nach B, als Einstieg in eine neue Ära.
Und so setzt sich dann allmählich eine Idee fest. Warum nicht ans Nordkap? Und wenn man dann schon mal die Idee hat und sich den Weg dahin überlegt, kommt man vielleicht auch darauf, sowohl Schweden als auch Norwegen sehen zu wollen.
Damit sind wir schon beim Hin – und Rückweg. Also zum Beispiel über Schweden hoch und über Norwegen wieder runter.
Perfektes Wetter und optimaler Wind beim Start der Tour am Donnerstag. Ein paar Tage davor hatte es noch wie aus Kübeln geschüttet, sodass viele Wiesen an der Riss unter Wasser standen. Frühstück, letzte Vorbereitungen, Anhänger ankoppeln. Der Adrenalinspiegel ist merklich angestiegen. Auch über meine Internet - Seite erfolgt der Startschuss zur Tour, indem ich den ersten Blog schreibe.
Um Punkt 9 Uhr lenke ich mein Gespann zum Fahrradweg in Richtung Schemmerberg. Jetzt muss ich nur noch ein Abschiedsbild mit dem Handy schießen. Ich finde einen freundlichen Anwohner, der bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Allerdings dauert es etwas länger, bis der gute Mann schließlich den Finger richtig auf das Display meines Handys setzt. Als aber auch das geklappt hat, steht dem Aufbruch nichts mehr im Weg.
Bis ich dann nach 3 Minuten Fahrzeit feststelle, dass das Wasser auf dem Radweg nach Schemmerberg immer noch steht.
Hier habe ich mir drei Tage vorher schon nasse Füße geholt, als ich mit dem Rennrad unterwegs war und gedacht habe, die paar Zentimeter Wasser kann ich doch lässig durchfahren. Von wegen, bei jeder Pedalumdrehung habe ich die Schuhe unter Wasser durchgezogen. Das wollte ich diesmal vermeiden. Also umkehren und auf der Hauptstraße nach Schemmerberg. Ab jetzt läuft alles normal. Es ist nicht zu kalt, nicht zu warm, einfach perfekt.
Über Ulm, Günzburg, Lauingen und Dillingen fahre ich auf dem Donauradweg nach Donauwörth, obwohl dieser zwischen Ulm und Donauwörth nicht wirklich immer Spaß macht.
Immer wieder im Zickzackkurs durch die Lande, dazu oft unbefestigt. Erstaunlicherweise kann man sich sogar auf einem Flussradweg verfahren.
Das ist mir vor vielen Jahren, als ich ebenfalls an der Donau entlang in Richtung Prag unterwegs war, auch schon passiert.
Weil die Donau in dem Bereich ziemlich stark mäandert, nehme ich zwischen Dillingen und Donauwörth aber dann doch lieber den direkteren Radweg an der B18 entlang. Dafür darf ich dann in einer Ortsdurchfahrt das erste Mal meine Bremsen testen, als ein Opa im Opel Astra mich völlig ignoriert und unmittelbar vor mir die Straße queren muss. Mit Erstaunen lerne ich kurz vor Donauwörth einen mir völlig neuen Grund für Bürgerzorn und Bürgerprotest kennen.
Bisher war mir geläufig: Der Protest für oder gegen die Windkraft, gegen Stromtrassen, gegen Atomkraft, gegen Wasserkraftwerke, gegen Pumpspeicherwerke, gegen End – und Zwischenlager.
Viele Plakate am Straßenrand verkünden hier vom Protest und Widerstand gegen den Polder – und Deichbau, der vor dem Donauhochwasser schützen soll. Man muss nicht alles verstehen.
Nach einer kurzen Kaffeepause in Donauwörth heißt es jetzt wieder neu orientieren. Die Donau dreht jetzt ab in Richtung Osten und ich wende mich der B2 in Richtung Nürnberg zu. Jetzt wird es auch richtig bergig. Als Tagesziel habe ich mir den Campingplatz in Wemding auserkoren. Wemding liegt einige km abseits der Bundesstraße, sodass ich mich bald wieder in einer relativ einsamen Gegend befinde. Jetzt mache ich die Höhenmeter, die ich auf dem Donauradweg den ganzen Tag gespart habe.
Der Campingplatz liegt etwas außerhalb des Ortes und ist bis auf einige Wohnwagen und Wohnmobile praktisch leer. Als ich komme, wird die Rezeption gerade abgeschlossen. Der Typ meint, Anmeldung und Bezahlung gehen auch morgen früh noch.
Nach dem Zeltaufbau mache ich mich zu Fuß in die Stadt auf und genehmige mir beim Italiener am Marktplatz eine Ladung Nudeln.
Nach 160 km auf dem Rad tut das Laufen wieder richtig gut. Schon etwas ungewohnt, die Zelterei, wenn man das viele Jahre nicht mehr gemacht hat. Aber der Auf – und Abbau ist unproblematisch. Dafür wird die Nacht erstaunlich kalt, aber vermutlich muss das Anfang Mai auch so sein.
Genau waren es am ersten Tag 159 km und 600 hm.
Am Freitag um 9 Uhr breche ich auf, die Rezeption ist immer noch verwaist. Es scheint ein richtig schöner Tag zu werden. Über Berg und Tal geht es zurück zur B2, erstaunlicherweise hört hier sogar die befestigte Straße irgendwann mal auf. Ich wähne mich plötzlich ganz weit weg von der Zivilisation, dabei fange ich doch gerade erst an.
Als ich dann die B2 erreiche, muss ich feststellen, dass es dort auch nicht immer einen durchgängigen Radweg gibt. Auf ein paar Kilometer muss ich mir den Nervenkitzel mit dem dichten LKW – und PKW – Verkehr geben. Aber auch das geht vorbei.
Einigermaßen locker und entspannt komme ich über Weißenburg und Roth nach Nürnberg, wo mich mein Navi voll durch den gerade einsetzenden Freitagmittag - Feierabendverkehr lotst. Das ist jetzt weniger witzig. Locker wird es dann wieder auf dem Pegnitzradweg, der mitten in Nürnberg beginnt. Hier bin ich jetzt weitestgehend wieder in der freien Natur.
Jetzt muss ich mich mal kurz mit einem möglichen Tagesziel befassen. Mein Handy findet den einzigen Campingplatz im Pegnitztal in Hohenstadt, fünf km nach Hersbruck, fast direkt am Bahnhof.
Es wird ganz einfach: Einchecken, Zelt aufbauen, 8 Euro bezahlen.
Auf der Suche nach einer Kneipe bin ich leider erfolglos, sodass ich gezwungen bin, den Daumen raus zu halten, als ich ratlos am Ortsende stehe.
Das klappt auch sofort. Ein Serbe, der kaum Deutsch spricht, nimmt mich mit nach Hersbruck. Dort verdrücke ich eine ordentliche Portion Nudeln und zwei Hefe, bevor ich trotz Bahnstreik mit dem Zug direkt wieder zurück zum Campingplatz fahre. Der leichte Regen in der Nacht hat dann meine frisch gewaschenen Radklamotten eingenässt.
Die Tagesstatistik ergibt 134 km und 540 hm.
Es ist wieder trocken, als ich kurz nach 9 Uhr am Samstagmorgen wieder aufbreche. Die Wolken am Himmel lassen aber darauf schließen, dass heute noch was runter kommt. Immerhin komme ich trocken nach Bayreuth, wo ich direkt an der Oper mein Vesper verzehre. Kaum bin ich fertig und gerade losgefahren, geht ein schweres Gewitter nieder, das mich in eine Bushaltestelle zwingt. Nach einer halben Stunde ist es aber vorbei und ich setze meinen Weg fort.
Dieser führt jetzt fast komplett auf der vorher schon genannten B2 über Bad Berneck nach Hof. Eine Alternative gibt es nicht, aber der Verkehr ist auf diesem Abschnitt ziemlich harmlos. Dafür ist es kurvig und wellig ohne Ende, was mit meinem Anhänger manchmal ziemlich mühsam wird.
Inzwischen ist klar, dass mein heutiges Ziel Hof sein wird. Das war zunächst nicht geplant, ich bin mir aber sicher, dass es hier einen Campingplatz gibt. Aber leider falsch gedacht, es gibt tatsächlich keinen.
Und plötzlich stehe ich vor dem Hotel Strauß, in dem ich vor zwei Jahren am Ende einer Tour durch den Osten mit meinem Kumpel Manfred gelandet bin. Das war wohl der Wink des Schicksals. Also nichts wie rein, nasse Klamotten von gestern trocknen und, vor allem, ein richtig schönes WLAN im Zimmer. Trotz Riesenhunger und einem ebensolchen Durst hat dieser Update jetzt Vorrang.
Ach ja, noch was für die Statistik: Heute waren es 136 km und 1360 HM.
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