Heute morgen muss es die Straße wieder richten, das Frühstück meine ich. Es ist die Hölle los - es gut zu wie mein Biberacher Schützenfest - nur ein bisschen anders halt.
Beim Pommes essen frage ich mal nach, ob es an der Grenze auch ein Hotel gibt, auf Google kann ich nämlich keins entdecken. Die Antwort lautet ja, also packe ich die letzten 20 km auch noch. Ansonsten hätte ich hier bleiben müssen.
Es gibt sogar 3. (Es ist mal wieder Stromausfall, der 4 oder 5, seit ich in Vietnam bin).
Nur 200 Meter von der Grenze weg, relativ einfach, aber ok. 12 €. Vergleichsweise teuer. Wegen dem Essen bin ich inzwischen völlig des-illusioniert. Ich nehme mir fest vor, dass ich einfach nehme was es gibt. Und es wird noch viel schlimmer. Es gibt Nudelsuppe, mit zwei Speckschwarten drin. Die bekommen die Hunde, die mich umringen. Die kennen sich schon aus. Weil das kalte Bier von der Nachbarwirtschaft kommt, gehe ich anschließend gleich dahin. Wo ich jetzt in völliger Dunkelheit hocke und versuche, diesen Text zu Ende zu bringen.
123 km, 1360 hm.
Das starke Gewitter von gestern Abend sorgt auch heute wieder für angenehme Temperaturen auf dem Rad. Aber bevor es losgeht, steht erst mal die Grenze an. Ich bin weit und breit der einzige, der von Vietnam nach Kambodscha will und trotzdem dauert es fast eine Stunde, bis die jeweiligen Grenzer ihren Stempel in meinem Reisepass untergebracht haben.
Die Dörfer und Kleinstädte, die ich passiere, sind alle völlig vermüllt. Die erste größere Stadt ist nach 70 km Banlung. Und die hat jede Menge Hotels und Gästehäuser. Jetzt muss ich die Lage checken. Die nächste Stadt kommt bei 100, ob ich hier aber etwas zum Übernachten finde, scheint mir eher fraglich, Google und booking.com geben nichts dazu her.
So kommt es, dass ich unverhofft nach nur 72 km zu einem halben Ruhetag komme. Dabei wäre es heute richtig angenehm gewesen.
Nochmal zu gestern. Die Entscheidung, in Banlung zu bleiben und dafür heute länger zu fahren, war die einzig Richtige. Es kam tatsächlich kein einziges Gästehaus, Hotel, etc. bis zum heutigen Zielort.
Bei den 12 USD fürs Zimmer war kein Frühstück dabei, also heißt es, sich wieder auf der Straße umzuschauen. Zunächst muss ein Kaffee (ja, richtig) und eine Ladung Bananen reichen. Ein paar Minuten später kommen noch zwei kalte Spiegeleier dazu.
Der Versuch, Frühstück auf der Straße zu beschaffen, scheitert schnell. Also zurück zum Restaurant. Dort ist um 6.45 in der Früh schon wieder das gesamte Bedienungspersonal von gestern Abend im Einsatz. Sensationell. Omelett, Kaffee, das Übliche halt.
Es gibt heute zwei Optionen. Nach Siem Reap, dem Ausgangspunkt für Angkor Wat, sind es 170 km. Bin ich auf der Flucht? Ich habe inzwischen 2 Tage Puffer. Einer ist für Angkor Wat vorgesehen. Bei etwa 95 km kommt eine Stadt, in der Google zwei Guesthouses zeigt. Also lautet der Beschluß: Heute gemütliche 95, dann noch gemütlichere 75 nach Siem Reap und dann ein Ruhetag mit Besichtigung der Tempelanlage. Wobei mir natürlich schon wieder vor den Touristenmassen graust.
Ich meine gelesen zu haben, dass Angkor Wat zu den Top 10 der weltweiten Touristenziele gehört. Aber da muss ich jetzt durch.
Die Strecke bietet keine großen Herausforderungen. Ein paar kleine Wellen, Bauernland, nix Spektakuläres. Und es gibt eine einzige Stelle auf der ganzen Strecke, an der man sich verfahren kann.
Ich schaffe es. Unglaublich. Wie blöd kann man sein? Hab ich das schon mal gesagt?
Bei km 21 steht ein Stand mit Melonen. Die gab's gestern den ganzen Tag nicht. Dazu muss ich dann auch noch eine junge Mutter, die gerade ihr Kind in den Schlaf schaukelt, aus der Hängematte holen. Ich pack die Melone ein, denk noch drüber nach, ab wann ich diese zu verzehren gedenke und zack, 500 Meter weiter, fahre ich einfach einen leichten Rechtsknick. Dass es hier auch nach links geht, mit großen Hinweisschildern, sehe ich gar nicht.
Nachdem es die halbe Nacht gewittert und geschüttet hat, ist heute morgen wieder alles gut. Frühstück ist nicht zu erwarten, ein paar Bananen und ein bisschen Wasser müssen heute reichen. Nach Siem Reap sind es 63 km, das bedeutet leichtes ausradeln, zumal es auch noch ein paar Meter bergab geht.
Den ersten Kaffee gibt's bei km 35 an einer Tanke und bei 50 eine kleine Melone.
Kurz nach halb elf ist der Reisetag für mich erledigt, jetzt stehen eineinhalb Ruhetage an.
Welche touristische Bedeutung die Stadt hat, zeigt die Hotelauswahl bei booking.com. Aus fast 700 Hotels kann ich auswählen. Dabei sind viele kleine Hotels gar nicht dort wählbar. Ich finde ein schönes Zimmer für 36 USD (2 Nächte), dafür hat letzte Nacht nur 5 gekostet.
Weil es heute so absolut gar nichts zu berichten gibt, noch ein Nachtrag zu einer Bemerkung vom 2. Tag in Kambodscha. Dort habe ich den östlichen Teil von der Grenze her als Zonenrandgebiet bezeichnet.
Inzwischen bin ich schlauer. Dort haben sich während des Vietnamkrieges, der eben nicht nur auf Vietnam beschränkt war, heftige Kämpfe zwischen Vietkong, Amerikanern, Kambodschanern und den Rebellen der Roten Kymer abgespielt. Dabei haben die Amis wie in Laos hunderttausende Bomben abgesetzt.
Und als dann der Krieg 1975 beendet war, haben die Roten Kymer die Macht in Kambodscha übernommen und bis 1979 über 2 Millionen Menschen umgebracht, manchmal nur, weil sie weiter als bis 3 zählen konnten. Dem wiederum haben dann 1979 die Vietnamesen durch ihren Einmarsch ein Ende gesetzt und Bruder Nr. 1 (Pol Pot) musste sich nach Thailand ins Exil absetzen, wo er als anerkannter Massenmörder auch noch einige Jahre zündeln durfte.
Soviel also zum Zonenrandgebiet mit meinem Wiki - Wissen.
Dieser Programmpunkt stand von Anfang an auf der Agenda. Deshalb muss das jetzt sein.
Wie immer nach einem Ruhetag bin ich froh, wieder auf dem Bock zu sitzen. Die Ausfahrt aus der Stadt bestätigt noch einmal meine Ansicht über diesen parallelen Kosmos. Ein 5-Sterne - Palast neben dem anderen. Resort, Spa, Residence, Country - Club. Ab jetzt wird es einfach. Zur Grenze nach Thailand sind es noch 150 km, jetzt heißt es nur noch richtig einteilen. Verfahren geht jetzt wirklich nicht mehr. Bolzgerade immer der 6 nach. Und völlig eben. Dementsprechend eintönig ist die Strecke. In alle Richtungen geht der Blick bis zum Horizont.
Die letzten 45 km bis zur Grenze in Poipet sind eine Fortsetzung von gestern. Immer geradeaus. Poipet, die Grenzstadt, ist ein Alptraum aus Dreck, Gestank, Verkehr. Dazu trägt natürlich auch wieder der Regen von gestern bei, der den ganzen Dreck auf die Straßen spült und beim Abtrocknen dann in der Luft landet.
Ich brauche auch diesmal wieder fast eine Stunde bis ich durch bin.
Das Frühstück besteht heute morgen aus 6 Minibananen von gestern und einem Nescafe an der Rezeption meines Resorts. Das muss für die nächsten 2 Stunden reichen.
Danach geht es direkt auf den Highway, bzw. da bin ich schon. Der Plan sieht vor, dass ich jetzt noch einen kleinen Schlenker nach Südwesten mache, um in Chon Buri an die Küste vom Golf von Thailand zu kommen. Hier gedenke ich, meinen letzten Ruhetag vor der finalen Ankunft in Bangkok zu nehmen. 'One night in Bangkok', das reicht.
Es ist relativ ruhig an der Schnellstraße, man gewöhnt sich langsam dran. Bisher war ich es gewohnt, dass alle paar Meter eine Straßenküche auftaucht. Verhungern ist eigentlich nicht möglich. Aber auf dieser Strecke ist es doch ein bisschen anders. Sogar die wenigen Tankstellen sind völlig verwaist. Nix los, schon gar nichts zu essen. Nach 40 km hängt mein Magen etwas durch, die Bananen sind aufgebraucht.
Da entdecke ich auf der anderen Seite eine kleine Hütte, passend dazu eine kleine Lücke im Mittelstreifen. Eine Oma liegt dösend in ihrer Hängematte. Ich mache das Zeichen für 'Essen', sie nickt. Ich hab auch schon eine Palette mit Eiern entdeckt. Sie macht mir Spiegeleier auf Reis. Das geht immer. Damit komme ich bis zur Mittagspause durch.
Bei km 60 kommt ein Abzweig auf eine andere Schnellstraße, ab hier hat Komoot einen anderen Strecken - Vorschlag als Google. Heute entscheide ich mich bewusst gegen Komoot und bleibe an der Schnellstraße. Das war vermutlich am Ende nicht besonders schlau. Die Alternative hätte nur 3 km mehr ergeben, dafür vermutlich 30 - 40 km mehr Landstraße. So kommt es, daß ich heute von insgesamt 138 km nur 25 km auf der Landstraße bin. Ganz schön hart.
Zeit, mal wieder über Hunde zu reden. Die gibt es überall in Massen. Meistens sind sie ja friedlich, aber dann gibt es wieder Tage, da machen sie sich gehäuft bemerkbar. Ich vermute fast, das liegt am Wetter. Heute war es den ganzen Tag bewölkt. Trotz der relativ kurzen Zeit auf Landstraßen und Ortsdurchfahrten sind es heute einige Attacken. Nicht, dass das ernsthaft gefährlich wäre, aber es führt doch jedes Mal zu einem kleinen Adrenalinstoß. Man schrickt auf, meist sind es gleich mehrere. Dann der Blick nach hinten. Ignorieren oder Absteigen und auf Gegenangriff gehen?
Meistens lasse ich es bei 'Ignorieren'. Wenn ich dann doch mal wieder auf Attacke gehe, kostet es trotzdem immer wieder ein paar Nerven.
Solange ich mein 'Freundschaftsstöckchen' in der Satteltasche stecken hatte, haben sie mich seltsamerweise in Ruhe gelassen.
Jetzt also mein letzter Halt in Chon Buri, hier werde ich morgen einen Tag am Strand einlegen und am Donnerstag dann hoffentlich ganz relaxt die letzten 80 km nach Bangkok radeln.
Kurz zu meinem gestrigen Ruhetag. Bis auf die Tatsache, daß ich zum Badestrand 17 km hin und auch wieder zurück radeln musste, obwohl ich nur einen km vom Meer entfernt gewohnt habe, war dies der einzige und erste Tag, an dem ich wirklich nichts gemacht habe, außer im Schatten rumzuliegen, gelegentlich Nahrung und Getränke aufzunehmen und mich zweimal ins Wasser zu schleppen.
Die letzten 80 km nach Bangkok hätte ich heute gerne als lockeres und entspanntes Ausrollen gehabt, aber das wäre natürlich zu einfach gewesen.
Man muss sich zunächst vorstellen, dass die Stadt Chon Buri lt. Wikipedia nur 30000 Einwohner hat, das bezieht sich aber nur auf den ursprünglichen Stadtkern. Der Bezirk Chon Buri hat aber 1, 6 Millionen, aber das ist alles eins. Und obwohl auf dem Wegweiser 80 km nach Bangkok angegeben sind, geht Chon Buri fast nahtlos in Bangkok über. Da sind zwar noch mehrere Städte dazwischen, aber auch das ist alles ein großer Mischmasch. Und dazwischen eine Autobahn auf Stelzen und drunter bis zu 8 Spuren in jede Richtung.
Direkt an der Strecke Wohngebiete, Industriegebiete, Schulen, Fressstationen, auch hier Hunde in Massen, die zwischen dem ganzen Chaos rumwuseln und gelegentlich angreifen.
Eigentlich könnte man auf der äußeren Spur trotz allem entspannt dahin fahren, wenn die Spur frei wäre. Wären da nicht LKW, die an den Fressstationen halten und immer wieder zum Ausscheren auf die zweite Spur zwingen. Und dazu der pausenlose Gegenverkehr durch Roller und gelegentlich andere Radfahrer, die keine Chance haben, auf die andere Seite zu wechseln und dann halt als Geisterfahrer entgegen kommen.
Wo dann die Vorstädte aufhören und Bangkok beginnt, lässt sich nicht erkennen. Nach halber Strecke gibt's eine parallel zur Autobahn verlaufende Straße 2 km weiter westlich. Damit habe ich zumindest das Getöse von der Autobahn eliminiert, weil hier der Verkehr wesentlich langsamer ist.
Dafür gibt es hier teilweise Staus, die sogar mich als Radler tangieren. Aber irgendwann mache ich es wie die anderen : Ab durch die Mitte.
Auf einem normalen zweispurigen Abschnitt schon in Stadtnähe stauen sich unzählige Lkw in beide Richtungen. Hier gibt es nicht mal Gehwege, dafür aber tiefe Löcher in der Fahrbahn, sodass teilweise nur Schrittgeschwindigkeit möglich ist. Schon ein heißes Gefühl, zwischen den LKW auf einem halben Meter Abstand durchzufahren und dabei den Zweirädern, die auf der gleichen Spur entgegen kommen, auszuweichen.
Aber auch das geht vorbei, man lernt dazu. Keine Skrupel mehr im Verkehr.
Um eins stehe ich nach 3857 km wieder vor meinem Hotel, an dem ich vor 6 Wochen losgefahren bin.
Keine Pannen, nicht mal Luft nachgepumpt.
Bis auf eine Schramme am kleinen Zeh, einem blauen Zehnagel aus den laotischen Bergen und einer finalen Schramme am kleinen Finger beim Abmontieren der Pedale keine Verletzungen. Nicht den Magen oder sonstwas verrenkt bei der Verwendung von Eiswürfeln im Cola oder Bier.
Ok, einmal Sonnenbrand, weil ich meinem käsigen Oberkörper auch mal ein bisschen Sonne gönnen wollte.
Das Rad ist wieder verpackt, der Karton war wie erwartet noch da. Für den Flug nach Zürich bin ich eingecheckt, der Transport zum Flughafen ist organisiert.
Ich werde versuchen, ein bisschen Wärme mit heim zu bringen.
Bilder waren heute nicht möglich, nur ein paar von meinem Ruhetag.